#IHRAHandbook - Stellungnahme zur Arbeitsdefinition der Internationalen
Allianz für Holocaust-Gedenken
Mit der „Arbeitsdefinition von Antisemitismus“ [Link hier klicken] der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) liegt eine inhaltliche Begriffsbestimmung vor, die von der »Jehi ‘Or« Jüdisches Bildungswerk für Demokratie – gegen Antisemitismus (JBDA) gUG wie von Regierungen und Parlamenten von Bund und Ländern empfohlen (in der von der Bundesregierung empfohlenen erweiterten Form) für ihre Bildungs- und Projektarbeit zugrunde gelegt wird.
So betrachtet das JBDA alle Formen politisch, sozial, kulturell, rassistisch oder religiös motivierter Feindschaft gegenüber dem Judentum und ihm zugeordneten Personen und Einrichtungen als Antisemitismus, also traditionelle antijudaistische und rassistische sowie die auf Verschwörungsideologien gegründete Judenfeindlichkeit, aber auch modernere subtilere Formen. Bei Letzteren geht es um Wahrnehmungs-, Deutungs- und Verhaltensmuster, die auf die Umkehr von Täter-Opfer-Verhältnissen abzielen, daher die Shoah leugnen, rechtfertigen oder relativieren oder/und sich gegen die Thematisierung der Shoah richten (Post-Shoah-Antisemitismus), die „klassisch“-antisemitische Stereotype nutzen, ohne ausdrücklich auf das Judentum Bezug zu nehmen (struktureller Antisemitismus) oder sich auf den Staat Israel beziehen („antizionistischer“ oder israelbezogener Antisemitismus).
Der „Arbeitsdefinition“ folgend sind also auch Vergleiche Israels mit Nazi-Deutschland als moderne Erscheinungsformen von Antisemitismus anzusehen. Als Kriterium zur Bestimmung von israelbezogenem Antisemitismus wendet das JBDA die „3-D-Regel“ an. Dementsprechend werden wertende Äußerungen über den Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, als antisemitisch betrachtet, wenn sie:
- das Selbstbestimmungsrecht des jüdischen Volkes und sein Recht auf
Errichtung und Verteidigung einer nationalen Heimstätte im Land Israel
bestreiten, also die Existenz des Staates Israel delegitimieren
- für die Beurteilung und Behandlung des Staates Israel doppelte Standards, also andere Maßstäbe als bei anderen Staaten anlegen
- den Staat Israel durch die Verwendung von Stereotypen, Symbolen und Bildern, die mit traditionellem, strukturellem oder Post-Shoah-Antisemitismus in Verbindung stehen, dämonisieren.
Über die „Arbeitsdefinition Antisemitismus“ der IHRA hinausgehend betrachtet das JBDA Antisemitismus nicht nur nicht nur als eine Wahrnehmung des Judentums, die gegen das Judentum gerichtete Diskriminierung, Ausgrenzung und Hasskriminalität begründet, sondern auch als antimodernistisches Wahrnehmungs- und Deutungsmuster, das mit dem „Gerücht über die Juden“ (Theodor W. Adorno) eine antirationale Welterklärung liefert.
Insofern greift Antisemitismus nicht nur das Judentum, sondern auch die Grundlagen und Grundwerte der Aufklärung, des aufgeklärten Humanismus und der freiheitlichen Demokratie an. Es gehört zum Wesen und der Funktion des Antisemitismus, antiaufklärerische und antihumanistische Haltungen und Impulse gegen ein Feindbild – nämlich das Judentum als „das Böse in der Welt“ – als konkretes Hassobjekt auszurichten. Der Angriff richtet sich dabei aber auch gegen die Errungenschaften der Aufklärung und der freiheitlichen, auf die Menschenrechte gegründeten Demokratie.